Geschichte der Novelle
Ein textsortenspezifisch-diachroner wie komparatistischer Schwerpunkt des Lehrstuhls liegt auf einer Geschichte der Novelle. Zuvörderst ist hier die Dissertation der Lehrstuhlinhaberin nennen, daneben weitere Promotionsprojekte, Sammelbände und Aufsätze:
Ursula Kocher: Boccaccio und die deutsche Novellistik. Formen der Transposition italienischer ›novelle‹ im 15. und 16. Jahrhundert
Die 2005 veröffentlichte Dissertation von Prof. Dr. Ursula Kocher zeigt anhand präziser narratologischer Analysen von deutschsprachigen Transpositionen frühneuzeitlicher italienischer Novellistik, dass die Gattung Novelle nicht über genaue Textmerkmale bestimmbar, sondern mit einer bestimmten Erzählweise verknüpft ist. Damit wurde in dieser Abhandlung der Versuch unternommen, eine Textsorte als spezifische, in Diskurse eingebundene Kommunikationsform wahrzunehmen.
Gesthimani Giantsidou: Dissertationsprojekt zur Novellenrezeption im 16. und 17. Jahrhundert
In ihrem Dissertationsprojekt avisiert Gesthimani Giantsidou, den für Deutschland noch dunklen Pfad der Rezeption von Giovanni Boccaccios Decameron nach 1500 zu beleuchten. Die Novellenbearbeitungen insbesondere der Nürnberger Dichter Hans Sachs und Jakob Ayrer werden mittels einer detaillierten Feinanalyse erstmals in ihrer Komplexität gewürdigt: Weniger unter rezeptionsästhetischem Fokus als vielmehr unter der Prämisse eines komparatistisch-narratologischen Analyseverfahrens werden die Novellen und Adaptationen in Sequenzen und Episoden untergliedert, um diese wiederum präzise auf ihre Gestaltung von histoire- und discours-Ebene hin untersuchen zu können. Die Überführung ausgewählter Novellen in Dramen bzw. Fastnachtspiele macht methodisch eine Adaption narratologischer Verfahren für eine ‚Theaternarratologie‘ erforderlich; rezeptionsgeschichtlich ist der Einfluss englischer Wandertruppen mit zu bedenken, sodass zugleich ein Ausblick auf die europäische Decameron-Rezeption geboten werden kann.