Literatur des Hochmittelaters
Der Literatur des Hochmittelalters widmen sich die Mitarbeiter*innen des Wuppertaler Lehrstuhls für Ältere deutsche Literatur nicht nur in der Lehre, sondern auch in zahlreichen laufenden und abgeschlossenen Dissertationen sowie Publikationen. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auf der Erzählliteratur, und hier insbesondere auf den höfischen Romanen:
Christina Marinidis: Dissertationsprojekt zur ›Zukunft‹ im ›Prosa-Lancelot‹
In ihrem Dissertationsprojekt ›(Ein)Blick in die Zukunft? Zur narrativen Struktur der Handlungsversatzstücke im ›Prosa-Lancelot‹‹ untersucht Christina Marinidis das Verständnis von ›Zukunft‹ im ›Prosa-Lancelot‹ in narratologischer Perspektive. Ihr Fokus liegt dabei auf jenen Erzählsequenzen, die von entrückten Sinneszuständen der Figuren berichten. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen vor allem die Traumsequenzen; diese offenbaren vergangene Ereignisse, verdeutlichen gegenwärtige Geschehnisse und ermöglichen eine Vorausdeutung auf die Zukunft. Mithilfe einer eingehenden narratologischen Analyse betrachtet Christina Marinidis das strukturelle Verhältnis dieser Elemente. Das Dissertationsprojekt eröffnet so neue Einsichten in die komplexe Erzählstruktur des ›Prosa-Lancelot‹ und speziell in die Bedeutung von zukunftsweisenden Elementen für das Gesamtwerk.
Ruth Sassenhausen: Wolframs von Eschenbach ›Parzival‹ als Entwicklungsroman
Die 2007 veröffentlichte Dissertation von Dr. Ruth Lauterjung (ehem. Sassenhausen) applizierte erstmals die Kategorie des Entwicklungsromans auf ein mittelalterliches Erzählwerk. Der innovative Ansatz wird durch die Fokussierung der Interpretation auf die Entwicklung des Helden, den Rekurs auf die mittelalterliche Theorie der Lebensalter sowie eine literaturpsychologische Herangehensweise fundiert. Im Kontext der Analyse wird deutlich, dass bereits von der Spätantike bis zum Hochmittelalter eine etablierte historische Psychologie existierte, die unter Berücksichtigung epochaler Unterschiede auch Ähnlichkeiten mit modernen wissenschaftlichen Einsichten aus der Entwicklungspsychologie aufweist. Aufgrund seiner an mittelalterlichen Konzepten der Lebensalter orientierten Erzählordnung kann damit der ›Parzival‹ als Lebensalterroman bestimmt werden.
Nadine Jäger: Sammelband zum ›Meer(deutigen) Erzählen‹
Das gemeinsam mit Dr. Sebastian Holtzhauer (Hamburg) von Nadine Jäger herausgegebene Themenheft der Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung (open access) fragt, wie vormoderne Texte und Textgruppen Sinnpotenziale des Meeres nutzen, um Uneindeutigkeiten narrativ zu entfalten. Dabei geraten zum einen Texte in den Blick, die das Meer zum Handlungsraum des Uneindeutigen ausweiten, zum anderen eröffnen solche Texte und Textpassagen einen Zugang zum Thema, die Uneindeutigkeiten auf metapoetischer Ebene anhand des Meeres entfalten. Daraus ergeben sich weiterführende Fragen: Welche Ausprägungen von Uneindeutigkeit werden in den thalassalen Raum projiziert, welche Bedeutung nehmen sie für den jeweiligen Text ein? Wie wird Uneindeutigkeit im Rahmen thalassaler Settings erzeugt, wie wird ihr begegnet? Welche Funktionalisierungen und Inszenierungen erfährt das Meer als Applikationsort narrativer Uneindeutigkeiten?