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Profil des Fachs
Das Teilfach Ältere deutsche Literatur (kurz: ÄdL) ruht auf drei tragenden Säulen:
Sprache: Mit jeder Sprecher*innen-Generation verändert sich eine Sprache. Neue Wörter entstehen, alte sterben aus, viele erhalten eine andere Bedeutung; Aussprache und Schreibung der Wörter können sich verändern, Sprachgrenzen sich verschieben und vieles mehr. Im Laufe der Zeit summieren sich diese zunächst kleinen Veränderungen zu so großen, dass wir die ältesten deutschsprachigen Texte nicht mehr auf Anhieb lesen und verstehen können. Deshalb beschäftigen wir uns mit der Entwicklung der deutschen Sprache von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Im Laufe Ihres Studiums lernen Sie zuerst das Mittelhochdeutsche genauer kennen, d. h. die in einer Zeit von etwa 1050 bis 1350 (Mittel-) im südlichen, höher gelegenen Sprachraum (-hoch-) gesprochene Sprachstufe des Deutschen (-deutsch). Insbesondere im Vertiefungsmodul gibt es darüber hinaus auch Angebote zur althochdeutschen oder frühneuhochdeutschen Sprache und Literatur.
Literatur: Aus dem Mittelalter ist uns eine reiche und vielfältige Literatur in deutscher Sprache überliefert: Autoren wie Hartmann von Aue (›Erec‹, ›Iwein‹), Wolfram von Eschenbach (›Parzival‹, ›Willehalm‹), Gottfried von Straßburg (›Tristan‹) sowie das anonym überlieferte ›Nibelungenlied‹ und die Lyrik Walthers von der Vogelweide stellen um 1200 entstandene, bedeutende Höhepunkte der Literaturgeschichte dar. Die Palette der Textsorten reicht von Heldenepen und höfischen Versromanen über Minnelyrik und bisweilen politischen Sangsprüchen bis hin zu geistlichen Predigten, mystischen Abhandlungen und Rechtstexten aller Art. Wir beschäftigen uns sowohl mit der Übersetzung als auch mit der Analyse und Interpretation der Texte aus dem 8. bis 16. Jahrhundert, wobei ein Schwerpunkt auf den um 1200 in mittelhochdeutscher Sprache entstandenen Texten liegt.
Kultur: Die Texte, die wir lesen, stammen aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit. Sie spiegeln damit eine Lebens- und Vorstellungswelt, die uns auf den ersten Blick fremd geworden ist. Aus diesem Grund beziehen wir in unsere Analysen und Interpretationen literarischer Werke auch deren kulturelle (d. h. etwa religiöse, moralische, rechtliche, wirtschaftliche und künstlerische) Kontexte mit ein. Nicht selten führt die Reflexion des vermeintlich ›Anderen‹ des Mittelalters und seiner Literatur dabei hin zu einem kritischen Blick auf unsere Gegenwart.
Darüber hinaus ist unser Fach komparatistisch ausgerichtet, d. h. es untersucht die Beziehungen zwischen deutschsprachiger und z. B. lateinischer, französischer oder italienischer Literatur. Außerdem sind einige Hilfswissenschaften wichtige Bestandteile unseres Faches: In der Kodikologie, d. h. der Handschriftenkunde, und der Inkunabelkunde untersuchen wir, wie im Mittelalter handgeschriebene Bücher und in der Frühen Neuzeit die ersten Drucke (lat. incunabula) entstanden und verbreitet wurden. In der Paläographie, d. h. der Lehre von den alten Schriften, untersuchen wir, wie sich unsere Schrift entwickelt hat und lernen, wie man die im Mittelalter verbreiteten Schriften entziffern kann. In der Editionswissenschaft bemühen wir uns, die Texte in modernen Ausgaben sowohl dem Fachpublikum als auch einer breiteren Leser*innenschaft zugänglich zu machen und untersuchen, wie die handschriftliche Überlieferung die Texte im Laufe der Zeit verändert hat. Zugleich versteht sich unser Fach als zwar historisch perspektivierte, doch moderne literaturwissenschaftliche Disziplin: Daher sind auch jüngere Zugriffe von der Narratologie über die Gender Studies bis hin zu den Digital Humanities im Fach repräsentiert. Die ÄdL ist damit nicht nur als ein Teil der Germanistik zu betrachten, sondern als interdisziplinäres Fach, das neben Sprach- und Literaturwissenschaft auch Kultur- und Medienwissenschaft integriert.